Was ist für mich Inklusion?
Wir sind alle Menschen. Ich teile das Menschenbild des Philosophen Emmanuel Lèvinas (1906-1995) insoweit, dass ich auch denke: Menschen sind besonders und einzigartig, ergo sind wir alle besonders und einzigartig. Wir können versuchen diesen Umstand ein Leben lang im Kampf gegen das Offensichtliche zu negieren, indem wir unsere Kinder kultur- und geschlechtertypisch erziehen, alles Fremde ausschließen und uns von allen Abweichungen zu unserem eigenen Sein verschließen. Oder wir werden aktiv, entdecken die Vielfalt dieser Welt und heißen sie Willkommen. Das ist für mich Inklusion.
Inklusion = Verantwortung
Aktiv werden, heißt für mich Verantwortung zu übernehmen – für mein Handeln, aber auch mein Nichthandlen. Die meisten Menschen unserer Gesellschaft haben verinnerlicht, dass Handlungen, die einen Schaden verursachen Konsequenzen nach sich ziehen, wie den entstandenen Schaden bezahlen (Kaputte Glasscheibe oder Autounfall), eine Strafe akzeptieren (Freiheitsstrafen) und/oder die Schuld eingestehen (Entschuldigungen). Ich möchte zum Thema Inklusion jedoch den Fokus vor allem auf das Nichthandlen legen. Die Verantwortung zu übernehmen bedeutet auch die Konsequenzen des Nichthandlens zu akzeptieren. Wie verantwortungsvoll leben wir in unserer Gesellschaft?
Und jetzt die Relation zu den eigenen Möglichkeiten:
Kein einzelner Mensch kann alleine die Welt genesen und Verantwortung für Alles tragen. Wir tun gut daran reaistisch zu bleiben und Überforderung zu vermeiden, denn die zieht Erstarren, Panik und Abwehrhaltung nach sich. Was jeder einzelne Mensch tun kann ist ein Stück Verantwortung für seine Mitmenschen zu übernehmen. Wenn das geschieht, ist die Gesellschaft auf dem Weg zum Wandel.
Wandel der Gesellschaft
Die Gesellschaft als Masse entschiedet, welche Merkmale eines Individuums zu einer Ausgrenzung und möglicherweise sogar zu Diskriminierung führen. Erinnern wir uns daran, dass die Rechte der Frauen in einer Ehe erst Ende der 1970er als Gleichberechtigt anerkannt wurden. Wie verändern wir als einzelner Mensch die Gesellschaft? Die Gesellschaft besteht aus ihren Mitgliedern, und Mitglieder können sich entwickeln und verändern, sodass auch die gesellschaftlichen Grundsätze ein dynamischer Prozess im ständigen Wandel sind. Jede unserer Handlung oder Nicht-Handlung hat Folgen. In unserem Gesellschaftsvertrag haben wir uns verpflichtet, Verantwortung für die Folgen unserer Handlungen oder Nicht-Handlung zu übernehmen. Übernehmen wir also Verantwortung und fördern die Inklusion der Menschen.
Ein erster Schritt
Ein erster Schritt ist für mich beispielsweise seine Wahrnehmung zu weiten und zu erkennen, dass in unserer Gesellschaft ganz unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen täglichen Herausforderungen leben. In unserer Gesellschaft leben Menschen unterschiedlicher Religionen, aus unterschiedlichen Kulturen, mit körperlichen oder geistigen Behinderungen, mit neurotypischer oder neurodiverser Wahrnehmung, mit unterschiedlichen Körperformen und Geschlechtsidentitäten oder vielfältigen sexuellen Neigungen, vereint in diversen Familienkonstellationen.
- Lasst uns diese Vielfalt wahrnehmen!
- Lasst uns diese Vielfalt verstehen!
- Lasst uns diese Vielfalt annehmen!
- Lasst uns diese Vielfalt (unseren) Kindern zeigen!
Wie?
Zum Beispiel mit inklusiven und diversen Geschichten und Charakteren in Kinderbüchern.
Neurodiversität
Zunächst möchte ich den Blick auf Menschen mit verschiedenen Wahnehmungen auf die Welt lenken, die sich alle unter dem Begriff Neurodiversität wiederfinden, dazu zählen Menschen mit Autismus-Spektrum-Syndrom, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom und Menschen mit Dyslexie und Dysgraphie, Hochbegabung, Hochsensibilität und andere.
Repräsentationsmerkmal
Als Symbol für Neurodiversität als Repräsentationsmerkmal wird ein regenbogenfarbendes Unendlichkeitszeichen genutzt.
Begriffe
Neurotypisch = neurologische Entwicklung der Mehrheit entsprechend. Menschen, die in ihrem Verhalten und ihrer Wahrnehmung nicht stark auffällig sind.
Neurodivergent/ Neurodivers = neurologisch große Verschiedenheit/ Varianz in der Wahrnehmung und im Verhalten.
Unter Neurodiversität wird eine große Varianz im Verhalten, wie Impulskontrolle oder Hyperaktivität, im Kommunikationsverhalten bei Mimik und Gestik, Wahrnehmung und den Bedürfnissen gesammelt. Die Gehirne neurodivergenter Menschen sind unterschiedlich „verdrahtet“ und die Botenstoffausschüttung verläuft unterschiedlich.
In meinen Augen wichtig zu verstehen ist, dass es nicht den typischen neurodivergenten Menschen gibt. Oft sind bestimmte Regionen im Gehirn neurodivers und andere neurotypisch, weshlab immer ein individueller Cocktail an Verhalten und Wahrnehmung entsteht, weshalb in der Diagnostik eine genaue Analyse des Verhaltens und der Wahnehmung erfolgt.
Speziell der Austismus hat viele Varianten in Sprache, Struktur, Reizoffenheit, Interaktion, Belastung, Talente, die unterschiedlich zueinander stehen und so das Verhalten beeinflusst. Diese Varianz ist der Grund, warum in der Diagnostik mittlerweile vom Autismus – Spektrum gesprochen wird.
Um sich dem Thema literarisch anzunähern, um sich zu informieren und zu verstehen, habe ich eine Liste von Buchempfehlung für Kinder und Erwachsene zusammen gestellt:
Ein anderer Weg achtsam mit Neurodiversität umzugehen, speziell dem Autismusspektrumsyndrom ist solidarisch mit neuridiversen Menschen und im besten Fall ihr Verbündeter, ihr „Ally“ zu sein. Wie das geht? Hier einige Beispiele:
- Interessiere Dich ehrlich und voruteilsfrei für die Gefühle, Meinungen und Hinweise von Betroffenen. Wenn Dir jemand aus dem Autismusspektrum berichtet, versuche nicht zu relativieren, herunterzuspielen oder eigene Beispiele zu suchen. Ja, Du kennst vielleicht ein ähnliches Erleben, doch hier ist die Intensität der Schlüssel.
- Übe Nachsicht – Jedem Menschen fällt es schwer mit unerwartetem Verhalten empatisch umzugehen. Das hat was mit unserem Gehirn zu tun. Hintergrund: Die Kategoriesierung der Reize erleichtert unser Leben enorm, denn durch das Bilden von Kategorien wird unsere Welt sortiert. Ungefähr 11 Mio. Sinnesreize werden im Gehirn pro Sekunde verarbeitet, aber nur 10 – 16 Informationen gelangen in unser Bewusstsein. Unser Gehirn entscheidet, welche Information wichtig ist und welche nicht. Die Reize werden sortiert und interpretiert und mit unseren bisherigen Erfahrungen verglichen und eingeordnet. Diese Prozesse lassen sich mithilfe bildgebender Verfahren nachweisen. Hier wird das eigentlich harmlose Schubladendenken geboren. Doch statt uns von dieser Kategorisierung in unserem Sozialverhalten bestimmen zu lassen, können wir uns gegen voreilige Schlüsse entscheiden und echtes Interesse zeigen. Unsere imaginäre Kommode hat dann keine Chance, Vorurteile zu bilden. Was hat das mit Autismus zutun? Neurodiverse Menschen, damit auch Autist:innen, handeln immer wieder nicht den allgemeinen Erwartungen entsprichend. Statt das Verhalten zu bewerten, versuche den Grund zu verstehen.
- Vermeide in deiner Kommunikation Sätze, die alles noch schlimmer machen. Nahezu in allen Situationen unseres Lebens gibt es das sogenannte Bullshitbingo. Sätze, die das Erleben von Neurodiversen betreffen, sind: „XY gibt’s doch gar nicht!“ „Modediagnose“ „Stell Dich Doch nicht so an!“ „Nur die Harten kommen in Garten“ „Das Leben ist kein Ponyhof“ „Ich hab auch Schwierigkeiten mit XY“ „Wir mussten da alle durch!“„Das ist doch nur eine Ausrede. Du bist doch nur faul.“ Vermeide Pauschalaussagen und trage zur Eskalation der Situation bei.
- Und für uns Büchermenschen besonders ansprechen: Fördere Neurodiversität in (Kinder-)büchern, in dem Du sie schreibst, verlegst oder liest, auch wenn dich das Thema nicht direkt betrifft. Mit ihren Geschichten tragen sie zum Verständnis bei.
Zusammen sind wir stärker.